#4 – Mindset Change

Thomas Pisar – satirisch – über Führen und Geführtwerden. Folge 4.

In der Nacht von Sonntag auf Montag hat Kippler nicht schlafen können. Jetzt hat er es verstanden, was nicht stimmt. Das Mindset der Mitarbeiter ist falsch. Das müssen sie ändern. Er ist immerhin der CEO dieser Bude. Wenn er das nicht kann, wer dann.

Es herrscht viel zu viel Laissez-faire in der Organisation. Jeder tut, was er will. Außerdem braucht es mehr unternehmerisches Denken. Die Leute müssen wie ein Entrepreneur denken. Besser noch, wie in einem Start-up. Mehr Eigenverantwortung nehmen. Die Leute müssen aber auch viel mehr an einem Strang ziehen. Ausgerichtet vorgehen. Die eigenen Entscheidungen richtig treffen. Weniger Silopolitik betreiben. Die Silos müssen endlich zerschlagen werden. Es braucht aber auch mehr Mut, neue Dinge auszuprobieren. Zielgerichtet, so dass der Ergebniserfolg von Anfang an sichergestellt ist. Fehler kann man ja machen, aber bitte nicht zu viele und nicht öfter als einmal. Das ist die richtige Fehlerkultur. Culture eats strategy for breakfast. Jetzt ist es klar.

Um 07.13 hat er bei der Fahrt ins Büro den Chef der Kommunikation, S. Prechblasen telefonisch aufgescheucht. Der Gentleman soll mal was tun, denkt Kippler und nicht nur das Jahresfest koordinieren. Um 09.00 hat er ein Meeting mit Prechblasen anberaumt und um 09.03 hat er ihn darüber in Kenntnis gesetzt, dass er, Kippler, das Problem klar erkannt hat. Die Mitarbeiter brauchen einen Mindsetchange. Unbedingt. Heftiges Nicken von Prechblasen. Er hat es auch schon immer gesagt, oder eigentlich gedacht. Egal. Der Auftrag: ein Konzept dafür ausarbeiten. Bis Ende der Woche, Abstimmungstermin am Freitag 09.00-09.10. 

Dreizehn Leute der Kommunikationsabteilung werden um 10.00 zu einem Brainstorming Workshop von Prechblasen eingeladen. Alles andere hat weiter Priorität 1, aber das hat jetzt Priorität 0. Flipcharts werden rangekarrt und Whiteboards gelöscht, die noch sichtbare Skizzen von Meetings von vor zwei Jahren abbilden. Operative Hektik bricht aus. Um 10.42 ist man sich einig, dass das ohne externe Begleitung nicht möglich ist. Ein externer Berater wird kurzfristig telefonisch kontaktiert. Ab morgen kann er dabei sein. Die Leute atmen sichtbar auf. Jetzt kommt der Guru. Sie haben ohnehin schon so viel investiert, fast eine dreiviertel Stunde. Jetzt wird alles gut.

Dienstag, Mittwoch, Donnerstag sind geprägt von Workshops unter der Leitung des Externen. Am Donnerstag um 21.23 steht das Konzept: Es gibt fünf motivatorisch top ausgearbeitete Botschaften. Fünf Bilder mit Text.

• Ein Ruderboot, Vierer mit Steuermann. Message: Alle in eine Richtung.

• Ein Adler, der über einem Tal kreist: Message: Sei mutig.

• Eine Zielscheibe mit einem Pfeil in der Mitte: Message: Sei zielgerichtet.

• Ein Baby, das mit Duplosteinen spielt: Message: Probiere was aus.

• Ein Bild von Leuten, an einem Tischfußballtisch: Message: Denke wie ein Start-up.

Damit ist der Mindsetchange beschrieben. Stichtag der Umsetzung 01. 04., 09.00. Dazu wird ein initiales Townhall-Meeting mit Kippler anberaumt, der erklären wird, dass es einen Mindsetchange braucht. Die fünf Botschaften sollen dabei auf fünf Wandtafeln eine nach der anderen wirkungsvoll enthüllt werden. Topos: Moses kommt vom Berg.

Die IT ist vorbereitet am Stichtag im Intranet die Startseite auf die Botschaften zu ändern. Bei den Laptops werden die Botschaften auf den gesperrten Bildschirm und als Hintergrundbild erscheinen. Zehn Praktikanten werden am Stichtag Müsliriegel mit jeweils einer der Botschaften an den Eingängen zum Büro verteilen. Die Lifte werden ebenfalls damit plakatiert werden, so wie die Kantine. Es werden für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter T-Shirts mit den Botschaften bedruckt. In den nächsten fünf Monaten steht jeder Monat in der Kommunikation unter dem Motto von einer der Botschaften, um den Change herbeizuführen.

Am Abstimmungstermin am Freitag 09.00-09.10 gibt Kippler das Konzept von Prechblasen und Team frei. Prechblasen atmet auf, der Externe streift ein Honorar von 20 Tausend Euro ein. Das abschließende Statement von Kippler macht klar, dass er außer der halben Stunde im Townhall-Meeting keine Zeit haben wird, dabei etwas beizutragen. Er erwarte sich aber nach dem Sommer nach Ablauf der fünf Monate sichtbare Ergebnisse aus dem Mindsetchange. Er hat schon das richtige. 

Learnings

Die Learnings aus dieser Geschichte könnten ein ganzes Buch füllen. Hier die drei wichtigsten:

  • Oberflächliche Maßnahmen ersetzen keine tiefgreifenden Veränderungen: Symbolik wie Slogans oder Visuals ohne substanzielle Anpassungen der Strukturen und Prozesse führen zu homöopathischen Ergebnissen.
  • Top-Down-Vorgaben ohne echte Beteiligung erzeugen maximal Widerstand: Wenn die Belegschaft den Wandel nur passiv erdulden soll, fehlt die Akzeptanz und Identifikation mit dem Veränderungsprozess.
  • Führungskräfte als Vorbilder: Wenn Führungspersonen den Wandel predigen, ihn aber nicht selbst vorleben, hat der Wandel eine Eindringtiefe von Mairegen auf Goretex.

Mindset und Kultur kann man nicht über Worte und schöne Bilder verändern. Kultur kann als emergentes Phänomen nicht direkt geändert werden und ist die Folge von Verhalten. Das Verhalten der Mitarbeiter wird maßgeblich über die Strukturen (Kommunikation, Ziele, Belohnung, u.v.m.) geprägt.

Haben Sie schon einmal als Führungskraft einen Veränderungsprozess eingeleitet und es bei Botschaften belassen? Wie waren die Ergebnisse?

Waren Sie selbst schon einmal als Mitarbeiter teil eines Veränderungsprozesses, der auf ähnliche Weise gestartet hat? Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Was ist daraus geworden?

Artikel erschienen am 04.02.2025 in der „Presse„: https://www.diepresse.com/19325962/mindset-change

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