Rumpler steht um 04:00 auf, um mit dem Tag gut fertig zu werden. Um 04:15 radelt Rumpler im hauseigenen Fitnessraum am Hometrainer. Rumpler muss fit sein. Um 04:45 geht Rumpler duschen. Die kurzen Haare sind dazu da, nicht viel Zeit zu verlieren. Alles ist effizient. Das Gewand hat sich Rumpler bereits am Vortag hergerichtet. Anzug. Das ist funktional, einfach, teuer und kann für alle etwaigen Business-Anlässe getragen werden. Von 05:00 bis 06:30 werden Emails bearbeitet und Aufträge verteilt, damit die Mitarbeiter bereits einen vollen Backlog haben, wenn sie ins Büro kommen. Danach gibt es Frühstück mit der Familie und dreißig Minuten Qualitätszeit, wo Schulsachen, private Termine und sonstige organisatorische Angelegenheiten geklärt werden. Rumpler hat zwei Kinder im Alter von zwölf und vierzehn Jahren. Danach fährt Rumpler ins Büro. Das dauert exakt fünfunddreißig Minuten. Während der Fahrt hört Rumpler Podcasts oder Hörbücher, um sich auf dem Laufenden zu halten und weiterzubilden. Weiterbilden ist wichtig. Um 07:35 startet der offizielle Tag im Büro. Selten ist wer vor Rumpler im Büro. Rumpler trinkt einen koffeinfreien Kaffee aus Bioanbau. Nachhaltigkeit ist Rumpler wichtig. Nachhaltigkeit steht in der Firmenstrategie ganz oben. Spätestens um 08:00 ist der Terminkalender voll mit Meetings, Steerings, One-on-Ones, Klausuren, Jour Fixen und so weiter. Bis 19:00. Jeden Tag ist der Kalender voll. Wenn die Assistenz einen neuen Termin suchen muss, dann muss sie entweder etwas in den nächsten vier Monaten verschieben und einen Termin nach vier Monaten wählen, der dann wahrscheinlich auch nochmals zwei bis dreimal verschoben wird. Zu Mittag lässt sich Rumpler von der Assistenz etwas zu Essen bringen. Am Montag gibt es Sushi. Am Dienstag gibt es Huhn mit Reis. Am Mittwoch einen Salat. Am Donnerstag Nudeln mit einer leichten Tomatensauce. Am Freitag einen Fisch mit Bulgur. Jede Woche das Gleiche. Berechenbarkeit ist wichtig. Danach trinkt Rumpler einen zweiten koffeinfreien Kaffee aus Bioanbau. Rumpler muss fit sein und Nachhaltigkeit ist wichtig. Nachhaltigkeit steht in der Firmenstrategie ganz oben. Um 15:00 Uhr isst Rumpler eine kleine Handvoll Nüsse, wegen der wichtigen, richtigen Fette. Rumpler trinkt genau zwei Liter stilles Mineralwasser, das die Assistenz laufend nachfüllt. Wenn es kein stilles Mineralwasser gibt, dann muss die Assistenz ein mildes Mineral lange genug schütteln, damit es als stilles Wasser durchgeht. Trinken ist wichtig.
Wenn Rumpler auf die Toilette muss, dann passiert das zwischen den Meetings. Das stresst Rumpler, das kann zum Zuspätkommen führen. Wenn das letzte Meeting normalerweise um 19:00 endet, dann geht Rumpler nochmals eine Stunde durch die Agenda, um alle offenen Punkte in einer Liste festzuhalten. Rumpler vergisst nie etwas. Konsequenz ist wichtig. Wenn es keinen beruflichen Abendtermin gibt, fährt Rumpler nach Hause, verbringt noch fünfzehn Minuten Qualitätszeit mit der Familie. Danach gönnt sich Rumpler dreißig Minuten Nachrichtenüberblick aus der ganzen Welt auf dem neuesten iPad. Man muss auch am Ball bleiben. Informationen sind wichtig.
Danach geht Rumpler ins Bett. An geraden Tagen liest Rumpler einen seichten Liebesroman. An ungeraden schaut Rumple eine Folge Grey’s Anatomy. Ab und zu muss man auch in einer CEO Position Mensch sein dürfen.
Learnings
- Der Tag eines Vorstands ist kein Honiglecken. Jede Minute ist ausgefüllt, fast alles ist dem Job untergeordnet. Das muss man auf Dauer aushalten.
- Die Familie muss in die Agenda passen. Das muss auch die Familie aushalten.
- Der durchgeplante Tag und die Routine lassen keine Freiräume für Kreativität und Innovation. Es sind kaum bis keine Spielräume vorhanden.
- Am Ende sind auch Vorstände nur Menschen, die ihre privaten Vorlieben haben und vielleicht auch einmal einen banalen Ausgleich benötigen.
Wie sieht Ihr Arbeitstag aus? Ist er vollgestopft mit Routinearbeit, ein Meeting nach dem anderen, eine Agenda, die keine Freiräume für Kreativität und Innovation lässt? Keine Zeit, um über das eigene Tun zu reflektieren? eigenen Leib erlebt in einem vertrauensvollen Umfeld zu arbeiten im Gegensatz zu einem nicht vertrauensvollen?
Artikel erschienen am 22.01.2025 in der „Presse“: https://www.diepresse.com/19279596/rumpler