#13 – Dimsky

Thomas Pisar – satirisch – über Führen und Geführtwerden. Staffel 2 / Folge 3.

Dimsky ist ein Shooting Star im Management. Er steuert und lenkt nicht nur alles in seinem gewaltigen Verantwortungsbereich professionell, er kümmert sich auch um die Mitarbeiterentwicklung. Dimsky hat eine Kaderschmiede. Seine Mitarbeiter werden in den Flammen von Anor gegossen. Sie gehen durch seine gesamte Managementschule. Er vermittelt sein ganzes Managementwissen. Über viele Jahrzehnte aufgebaut. Über viele Jahrzehnte feingeschliffen. Wie ein Kieselstein. Genauso behandelt er seine Rohdiamanten. Der Ausschuss an Mitarbeitenden ist gewaltig. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Dimsky schleift Diamanten. Die zerbröseln.

Dimskys Verständnis von Top-Management ist klar. An erster Stelle kommt die Macht, dann kommt die Gefolgschaft. Es geht um Powerplay. Es geht um Hierarchie. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. So einfach.

Wenn die Dinge nicht laufen, was sie seiner Einschätzung nach nie tun, dann ist Angst das Mittel der Wahl. Es gibt kein stärkeres Stimulans als Angst.

Dimsky macht keine Pläne. Er ist allzeit bereit. Lasst sie nur kommen. Er managt nach Dringlichkeit. Die lautesten Eskalationen zuerst. Immer in einer Triage. Immer im Krisenmodus. Das garantiert das für diesen Job erforderliche Adrenalin. Das garantiert immer ein Arbeitspensum, das den Terminkalender von früh bis spät füllt. Nur wer viel arbeitet, kann viel leisten. Das ist sein Credo. Nicht weniger verlangt er von seinen Mitarbeitenden. Das ist der Preis der zukünftigen Macht.

Seinem Verständnis nach sollten seine Mitarbeitenden bei ihm voluntieren. Alles, was sie bei ihm lernen, wird ihnen danach hundertfach vergoldet werden.

Jene Mitarbeitenden, die nach dieser Schmiede übrigbleiben, sind perfekt. Oder sollten es sein. Weiß keiner. Es hat noch keiner überlebt. Niemand ist länger als ein Jahr geblieben. Alle sind gegangen. Das zeugt nur davon, dass Dimsky am richtigen Weg ist, die Besten zu formen. Er ist ein Shooting Star. Eine Legende. Jetzt schon.

Alle Mitarbeitenden, die nach der Tortur noch auskunftsfähig waren, sind sich einig: Bei Dimsky kann man wirklich alles lernen. Alles, wie man es nicht macht. Er ist das perfekte schlechte Beispiel. Er steckt die Komplementärmenge ab, wie man es machen sollte. Es gibt Wetten über die Größe seines Realitätsverzerrungsfelds und wie lange er in der Früh benötigt es für sich zurechtzurücken. A legend in his own mind.

Aber wehe denen, die Dimsky einmal privat treffen. Die stellen fest, dass er eigentlich ein ganz netter Kerl ist.

Learnings

Eine Führungskraft wie diese hat hoffentlich niemand. Was können wir daraus lernen?

  • Mitarbeiterentwicklung als Schmiede zu betrachten, liefert ein falsches Bild. Wer glaubt, er kann Menschen zu Führungskräften formen, der handelt unethisch. Es geht nicht darum, Menschen zu schleifen, zu brechen und neu zusammenzusetzen, es geht darum, Menschen den Rahmen zu bieten, dass sie sich selbst entfalten können. 
  • Macht und Angst als Führungsinstrument kann vielleicht das eine oder andere Ergebnis erzielen, aber für welchen Preis? Wie wäre es mit Vertrauen als Alternative?
  • Das zugrunde liegende Menschenbild von Dimsky ist negativ geprägt, was unweigerlich zum „Kellermeistersyndrom“ führt: Ich als Führungskraft bin nur von Flaschen umgeben.
  • Führung handelt vorausschauend und schafft unter anderem den Rahmen, damit Krisen vermieden oder gut bewältigt werden können. Wer nur nach Dringlichkeit managt, schafft hektischen Aktionismus und eine Menge Ineffizienz. 
  • Wer Ergebnisse mit Arbeitseinsatz verwechselt und dementsprechend belohnt, wird auch nur das bekommen. Es ist einfacher Arbeitseinsatz oder zumindest eifrige Aktivitäten zu beobachten, als tatsächlich die Qualität von Ergebnissen zu beurteilen. Eine Betrachtungsweise, die vielen fehlgeleiteten Homeoffice-Diskussionen zugrunde liegt.
  • Meine Geografie-Professorin hat immer gesagt: „Jeder ist für etwas gut und sei es als schlechtes Vorbild.“ Man kann tatsächlich von jedem etwas lernen.
  • Selbst wenn wir jedem, auch Dimsky, unterstellen, dass er auch nur ein Mensch mit guten Absichten ist, entschuldigt das bei Weitem nicht sein unreflektiertes Verhalten. Die Frage ist, wodurch in unserer Welt mehr Destruktives entstanden ist: durch gute oder durch schlechte Absichten. 

Kennen Sie in Ansätzen so eine toxische Führungskraft und haben darunter gelitten oder leiden noch immer? Was haben Sie in der Situation gemacht?

Haben Sie selbst schon mal Machtpoker gespielt und wie ist es ausgegangen? 

Helfen Sie Mitarbeitenden dabei, sich zu entwickeln oder formen Sie diese?

Wie oft reflektieren Sie selbst über Ihr Wirken?

Artikel erschienen am 08.04.2025 in der „Presse„: https://www.diepresse.com/19553365/dimsky

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