#8 – Toughes Management

Thomas Pisar – satirisch – über Führen und Geführtwerden. Folge 8.

Als Vorstand hat man so seine Verpflichtungen. Eine davon ist Vorbild-Sein. Walk-the-talk. Das prägt die Mannschaft, die zu einem aufschaut. Das zeigt Führungskompetenz. Simanek ist Vorstand. So sieht er seine Aufgabe.

Mitte Dezember ist immer eine schwierige Zeit, weil ab Mitte Dezember mehr Mitarbeiter am Punschstand, als im Büro zu finden sind. Aber prompt Mitte Dezember denkt Simanek daran, noch vor Weihnachten diesen einen gordischen Knoten zu zerschlagen. Der muss noch vor Dezember weg. Unbedingt. Geht gar nicht anders. As asap as possible. Also nimmt sich Simanek seinen Abteilungsleiter für schwierige Fälle und überträgt ihm diese ehrenvolle Aufgabe. Krippler, denkt Simanek, soll sich da mal beweisen. Seine Leistungen der letzten Zeit waren ohnehin fraglich. Simanek definiert den Termin für die Ergebnispräsentation auf Montag den 21.12., 12:00-12:30. Das ist halt toughes Management. So werden Termine vergeben. So werden Ergebnisse erzeugt. Walk-the-talk. So ist Vorbild.

Krippler weiß auch, dass er am Prüfstand steht. Er setzt mit fünfzehn Leuten aus seiner Organisation und der IT, die für die Problemlösung leider unabdinglich ist, einen dreistündigen initialen Workshop an. Er formuliert den Auftrag Richtung Simanek, lässt sich den pro forma bestätigen und legt mit voller Energie im Namen des Vorstands los. „Simanek will es“, ist die Message. Und können die IT-ler eben mal mit dem Herumgeraunze aufhören. Verdammten Saboteure.

Aus dem initialen Workshop werden mit viel Energie von Krippler gegen den Willen der fünfzehn Mitarbeiter viele Einzelworkshops in Folge. Die Ineffizienz des Vorgehens ist kaum zu überbieten. Es herrscht Chaos. Alle arbeiten in eine Ergebnispräsentation, die in kürzester Zeit von unkoordinierten und formlosen Analyseergebnissen überquillt. Wenn es schnell gehen muss, geht es halt nicht anders. Vier Tage vor Montag dem 21.12 löscht versehentlich einer der Mitarbeiter die wichtigsten Slides. Die Rekonstruktion einer älteren Version dauert weitere drei wertvolle Stunden. Krippler tobt und rotiert am Stand. Am Wochenende vor dem Montag führt Krippler noch siebzehn Telefonate mit den wichtigsten der fünfzehn Mitarbeitern, um die letzten Ergebnisse einzuarbeiten. Er stört bei drei Adventfeiern, vier Krippenspielen, einem Geburtstag und einer Beerdigung. Ihn stört das nicht.

Er ergänzt noch Slides und schmeißt andere ohne Abstimmung raus. Am Montag selbst wird von 09:00-12:00 ein Workshop zur finalen Finalisierung der letzten Allerletzversion anberaumt. Alle fünfzehn Mitarbeiter und Krippler sind in Fleisch und Blut im Büro, kein Homeoffice, kein Einwählen und daneben Wäsche machen. Verdammten Saboteure. Alle sind mehr als erschöpft und froh, wenn es hoffentlich um 12:00 vorbei ist. Um 11:43 pingt der Laptop von Krippler. Für alle gut sichtbar, weil er gerade seinen Bildschirm am großen Monitor teilt, kann man lesen, dass der Termin mit Simanek um 12:00 leider auf nächstes Jahr verschoben werden muss. Simanek wurde zu einem wichtigen Kundenpunsch gerufen. Er muss dort die Wogen wegen einem Termin Verschub glätten, der verursacht wurde, weil acht Mitarbeiter in den letzten beiden Wochen leider nicht zur Verfügung gestanden sind. Die hat Krippler, der Idiot, für irgendein unwichtiges Thema okkupiert. 

Was soll’s, denkt sich Simanek, das ist halt auch toughes Management. Man muss schon auch mal den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Das muss man eben auch vorleben. Walk-the-talk. So ist Vorbild.

Learnings

Die Learnings aus dieser Geschichte könnten ein ganzes Buch füllen. Hier die fünf wichtigsten:

  • Aktionismus im Management führt oftmals zu viel, nämlich viel unnützem Energieverlust. Der Aufwand, der entsteht, wird selten gesehen. Die Auswirkungen, die solche Aufträge auf bereits laufende Themen haben, werden nicht betrachtet. Die Mitarbeitenden sind ja „eh da“.
  • Simanek kann realistischerweise keinen Bezug zwischen seinem Auftrag und der Auswirkung an der Kundenfront herstellen. Es fehlt ihm die Information dazu. Die Verantwortung dafür liegt bei Krippler und allen Beteiligten in dem Unterfangen. Der operative Druck macht es im Top-Management unmöglich alle Bälle im Blick zu behalten. Die Minimalvariante wäre zumindest nachzufragen.
  • Toughes Management und Walk-the-Talk ist mehr als nur Termine setzen, für die man selbst nichts beiträgt. 
  • Einzelne Protagonisten nehmen solche Aufträge gerne an, da sie eine Gelegenheit zur Profilierung darstellen. Der eigentliche Auftragsinhalt und dessen Relevanz oder Irrelevanz tritt ab Sekunde Eins weit in den Hintergrund. Man segelt mit Vorstandsrückenwind zu einer Präsentation, die möglicherweise auf einem Sharepoint in Vergessenheit geraten wird.
  • Prioritäten sind ein Phänomen das täglichen Schwankungen durch operative Notwendigkeiten unterliegen. Manche Probleme lösen sich ganz von allein durch die Zeit.

Haben Sie als Führungskraft einmal einen Auftrag vergeben, ohne die dabei entstehenden Aufwände und Konsequenzen zu berücksichtigen? Waren Sie am Ende überrascht, was aus einem kurzen: „Kann sich das mal wer ansehen?“ geworden ist.
Haben Sie ähnliche Aufträge bekommen, sind losgespurtet und haben ebenfalls nicht an die Auswirkungen der Auftragserfüllung gedacht? Hauptsache der Auftrag wird erfüllt.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie bemerkten haben, dass die Auftragserfüllung zu keinen weiteren Aktionen geführt hat?

Artikel erschienen am 05.03.2025 in der „Presse“: https://www.diepresse.com/19422323/toughes-management

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